1. Januar 2013

Über die Potentiale der Menschen

Der Arzt, Anthropologe und Humangenethiker Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel berichtete in der Sendung News & Stories (10.12.12, sat1) über Eindrücke und Erkenntnisse aus der Zeit seines siebenjährigen Forschungsprojektes bei Steinzeitmenschen in Neu Guinea. Als er dort ankam, befand sich die Kultur der Eipo auf Steinzeitniveau, zwar mit Ackerbau und domestizierten Nutzpflanzen, doch ohne Nutzung von Metall, ebenso unbekannt waren das Rad, Schrift oder Schule. Und er wurde Zeuge einer Wandlung der Gesellschaft, die viel über das Potential aussagt über welches Menschen verfügen:



1980 hat dieser Volksstamm das Christentum angenommen, nicht auf Grund von religiösen Bekehrungen, sondern aus rein praktischen Erwägungen; man wollte nicht mehr von der Welt abgeschottet und wie in einer Blase am Rande dieser Welt existieren. Inzwischen, nur anderthalb Generationen später, haben die Ersten schon ihre Magisterprüfungen an der Universität gemacht. Für Schiefenhöfel ein Vorgang, der beschreibt, wie schnell sich Menschen auf neue Gegebenheiten einstellen können. Ich empfehle das Video in ganzer Länge anzuschauen (hier), es wird nämlich mit so einigen gewohnten Vorstellungen aufgeräumt, oder diese werden zumindest in Frage gestellt.

Ein Beispiel nur: Die Neolithische Revolution, welche den Zeitpunkt des Sesshaftwerdens beschreibt, wird immer mit dem Beginn der Landwirtschaft in Verbindung gebracht. Offensichtlich gibt es aber auch andere Gründe, und die liegen für Schiefenhövel eher im Bereich der Kultur oder der Religion. Wobei er Kultur als biologischen Bestandteil unserer Natur ansieht.

Nicht nur bezüglich der Rolle der Kultur für die menschliche Natur und Gesellschaft, auch in weiteren Punkten macht er eine anders lautende Beschreibung der Entwicklung des Menschen geltend, als es beispielsweise heutige Soziologen tun. Schiefenhövel geht von einem viel größerem Potential des Menschen aus, inklusive der Anpassungsfähigkeit auf neue Herausforderungen, als es die Soziologen gemeinhin tun.

Mich erinnerte diese Feststellung an Äußerungen von Meinhard Miegel, der sinngemäß meinte, dass der Mensch in einer sich immer schneller entwickelnden Gesellschaft, psychisch überfordert sei. Dies geschehen in der Diskussionen über die vermeintlich begrenzten Ressourcen die der Menschheit zur Verfügung stehen würde und auch in Miegels Buch »Exit« angesprochen.

Das Menschen in der heutigen Gesellschaft oft an psychische Grenzen stoßen, das möchte ich nicht bestreiten, aber sind die Ursachen dieser Grenzen nicht möglicherweise ganz andere als wie von Miegel und Kollegen angenommen, und liegen eher weniger in Technik und Fortschritt, sondern mehr im Verlust von familiären Strukturen begründet. Diese nämlich, so meint Schiefenhövel, diese familiären Eigenschaften die wir in uns tragen, könne man weiter ausdehnen, bis auf Länder oder Kontinente. Vielleicht bis auf die ganze Menschheit. Umgekehrt bedeutet dies, dass wenn diese Strukturen auseinanderbrechen, es zu den psychischen Problemen kommt, welche fälschlicherweise dem Fortschritt angelastet werden.

Die Eipo haben sich gemeinschaftlich aus freiem Willen für den Fortschritt entschieden, und sie sind auch fähig innerhalb kürzester Zeit in der modernen Welt klar zu kommen. Das Potential dazu ist offensichtlich im Menschen bereits angelegt, von der Evolution zur Verfügung gestellt. Die Geschwindigkeit heutiger Veränderungen in Technik oder gesellschaftlichen Fortschritt sind also keineswegs ein Problem für die Menschen, damit können sie umgehen. Mit dem Verlust von familiären Strukturen eher weniger.

Der Entwicklung der Menschheit sind keine Grenzen gesetzt, wenn wir unsere biologischen Voraussetzungen nicht außer acht lassen. Dazu gehört eben auch, dass wir soziale Wesen sind, dies ist genetisch angelegt. Dass dies dem Fortschritt nicht im Wege steht, haben die Eipo gezeigt.

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