19. Mai 2013

AfD oder die Wiederkehr der Ökonomie

Vier Parteineugründungen von Bedeutung hat es in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik gegeben: Grüne, Linke, Piraten, Alternative für Deutschland (AfD) und bei zweien von diesen war der Gründungsprozess einigermaßen chaotisch. Ein Sammelsurium von Ideen wurde besprochen, diskutiert und wieder verworfen und erst langsam wurden Strukturen und Inhalte für ein breiteres Publikum erkennbar. Die Piraten stecken noch mitten in diesem Prozess, die Grünen haben ihn bewältigt und sind als Partei nicht in der Versenkung verschwunden und haben sich etabliert. Die LINKE spielt eine gewisse Sonderrolle, da es ja keine echte Neugründung war, sondern sie auf Vorgängerparteistrukturen zurückgreifen konnte, weshalb da das große Chaos ausgeblieben ist.

Die AfD ist ganz jung und hat schon einigen Wirbel verursacht, aber nicht innerhalb der eigenen Reihen, da ist das Chaos weitestgehend ausgeblieben, dafür scheint es aber in den anderen Parteien auszubrechen. Die haben nämlich erkannt, dass die AfD, gemessen daran dass es eine Neugründung ist, auf die Sympathie von breiten Bevölkerungsschichten bauen kann. Ein Konzept als Antwort auf diese Popularität haben die anderen noch nicht entwickeln können, erste Versuche die AfD in die rechtsextreme Ecke zu stellen sind bereits gescheitert. Auch die Titulierungen als Professorenpartei wirken kaum, Altkanzler Schröder hatte seinerzeit mit diesem Konzept gegen den »Professor aus Heidelberg« noch erfolgreich diffamieren können, doch diese Klinge ist stumpf geworden und wenn sie denn doch einmal wieder verwendet wird, wirkt dies nur aufgesetzt und peinlich. Ob die AfD nur eine Einthema-Partei ist, und falls ja, ob dies von den andern genutzt werden kann, muss sich erst noch zeigen. Das wird auch an den Medien liegen, ob diese die AfD mit Fragen in die Ecke treiben können, bei Themen die nicht zum Markenkern der Partei gehören.

Hier übt sie sich aber in einer Selbstdisziplin die für eine neue Partei bemerkenswert ist. Themen abseits der Hauptforderung bleiben einigermaßen unverbindlich und es drängt sich die Frage auf: Ist denn der Euro tatsächlich das einzig wirklich relevante für diese neue Bewegung? Doch selbst dann wenn dies zutreffen würde, was es sicher nicht tut, muss erkannt werden, von welchem Geist dieses Thema getragen wird; was sind die tieferen Beweggründe für diese Themenauswahl. Die Forderung nach Auflösung der Eurozone kann ja von zweierlei verschiedenen Grundhaltungen getragen werden. Nationalistische, wie sie vorwiegend am rechten Rand vorkommen, oder ökonomische. Wird die europäische Einigung aus nationalistischen Motiven in Frage gestellt, oder nur der Euro aus ökonomischen Gründen abgelehnt. Auch wenn eine Trennung zwischen den einzelnen Beweggründen nicht immer genau vorgenommen werden kann, so lässt sich doch schon, nach dieser kurzen Zeit seit dem die AfD existiert, feststellen, nationalistische Gründe sind nicht dominierend. Es fehlt vielmehr jegliche Ideologie, ob nationalistisch, liberal, ökologistisch, sozialistisch - und was es sonst noch alles gibt - mit keinem dieser Attribute ließe sich die AfD beschreiben. Was sie antreibt ist auch ihre Kernkompetenz: Die Ökonomie.

Als Bernd Lucke in der Phönix-Sendung »Im Dialog« aufgefordert wird, auch darüber zu sprechen was denn die Partei außer dem Euro noch auf der Agenda habe, nennt er als erstes die Energiepreise.
ALFRED SCHIER: Jetzt dürfen Sie noch einen Programmpunkt nennen. Was bekomme ich wenn ich die AfD wähle?

BERND LUCKE: Dann bekommen Sie zum Beispiel auch transparentere Energiepreise - und niedrigere Energiepreise. Denn unsere Energiepreise, die sind so hoch, weil wir nicht nur den Strom bezahlen der auf der Rechnung steht, sondern wir subventionieren darüber hinaus auch noch jede Menge andere Energiearten die nicht wirtschaftlich sind. Und das finden wir ganz unsozial, denn Energiepreise werden ja von jedem gleich bezahlt, unabhängig davon wie hoch sein Einkommen ist. Wir schlagen vor, dass man diese Subventionen offen ausweist und sie aus dem normalen Steueraufkommen finanziert. Steuern werden erhoben abhängig vom Einkommen, dass heißt reichere Leute zahlen mehr als Bezieher kleiner Einkommen. Das ist also fair und das ist sozial ausgewogen und es führt dazu, dass die Energiepreise sinken.
Von einem durchdachten Konzept wie denn der Strompreisexplosion, hervorgerufen durch das EEG und die Förderung der NIE⁽¹⁾ begegnet werden kann, kann hier keine Rede sein. Dennoch ist diese Aussage bemerkenswert, Lucke bezeichnet die NIE als unwirtschaftlich und die derzeitige Forderung als unsozial. Den Konflikt mit den Ökologisten und Klimaschützern geht er aus dem Weg, doch die Begeisterung für deren Themen hält sich in engen Grenzen, das ist offensichtlich. Kein Wort dass NIE notwendig wären, oder der Klimaschutz, und das dürfte kein Zufall sein. Sämtliche Rhetorik, die in der Debatte über die Energiewende sonst vorherrschend ist, fehlt. Kein Wort von Einsparungen um die Preisexplosion abzufedern oder dergleichen, nein, die Energiepreise sind zu hoch, dass ist die Botschaft. Und wir subventionieren unwirtschaftliche Energiearten, wie er sich ausdrückt.

Ökonomie und Soziales, dass sind die Anliegen der AfD, und zwar beides zusammen. Sogar den Vorwurf der »Professorenpartei«, den Alfred Schier in dem Gespräch aufgreift (ohne sich diesen zu eigen zu machen), begegnet Lucke mit dem Argument, dass auch der Vater der »Sozialen Marktwirtschaft« ein Professor gewesen wäre, und der war ein sehr erfolgreicher Wirtschaftsminister, gar Bundeskanzler, so Lucke.

Man hat den Eindruck, die AfD könnte, ohne sich zu verbiegen, einen Slogan von Ludwig Erhard zu eigen machen, und „Wohlstand für Alle“ fordern. Die Ökonomie ist die Grundlage auf der alle weiteren Errungenschaften und Wünsche aufgebaut werden muss. Die schönste Ideologie und der moralischste Anspruch nützen nichts, wenn nicht eine solide Wirtschaft dahinter steht. Zur europäischen Einigung sind Luke viele gute Worte eingefallen, warum diese richtig ist und nur derzeit falsch ausgeführt wird, und das Projekt Euro unsozial und wirtschaftlich falsch ist. Zur Energiewende fallen ihm keinerlei positive Worte ein.

Mag sein dass die AfD eine im Grunde konservative Partei ist, die auch wesentliche Elemente des Liberalismus vermissen lässt, ein Wermutstropfen sicher, aber das Fehlen von sämtlichen Ideologien gleicht diesen Missstand wieder aus. Für die paar Monate die die AfD nun in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, hat sie eine erstaunliche Performance hingelegt.

(1) NIE beutet »Neue Ineffiziente Energien«, ein treffender Ausdruck als das sonst verwendete »Erneuerbare Energie«

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