6. Mai 2013

Schellnhuber und der Frosch im Kochtopf

Meldungen der letzten Tage über einen Streit um Besetzung des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) zwischen dem Umweltministerium und dem Wirtschaftsministerium, hauptsächlich die Person Hans Joachim Schellnhuber betreffend, ließen die Frage aufkommen, ob eine grundsätzliche Änderung in der Klimaschutzpolitik angestrebt wird. Schellnhuber gilt immerhin als einer der rigorosesten Alarmisten in der Klimawandeldebatte und wird nicht müde daran zu appellieren, dass eigentlich keine Zeit mehr ist mit dem Klimaschutz Ernst zu machen um das 2 Grad Ziel noch zu erreichen. Doch damit nicht genug, das letzte WBGU-Gutachten fordert eine große Transformation die wiederum aus Sicht vieler Beobachter in der Klimadebatte auf eine Ökodiktatur im globalen Maßstab hinausläuft.

Warum es Bestrebungen gab und gibt Schellnhuber abzulösen, gegenwärtig wird gemeldet, dass das Wirtschaftsministerium seinen Widerstand aufgegeben hätte, kann also zwei Gründe haben. Einmal die offensichtliche Falscheinschätzung der Entwicklung der globalen Klimaveränderungen. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass es keine katastrophale Erwärmung gibt, genausowenig wie eine katastrophale Zunahme von Extremwetter verzeichnet werden kann. Der Alarmismus diesbezüglich hat deutlich an Glaubwürdigkeit verloren. Dennoch ist ein Großteil der Wissenschaftler, der Politik und auch der Bevölkerungen überzeugt, dass es diese Erwärmung gibt, doch wie stark sie ist, und welche Auswirkungen sie hat, darüber wird nach wie vor gestritten. Ebenso darüber wie groß der Anteil der Menschen, genauer das CO₂, dabei ist. Doch in diese, zum Teil erbittert geführte, Debatte brauchen wir hier nicht einsteigen. Es genügt festzustellen, dass die Zweifel an den alarmistischen Darstellungen insgesamt gewachsen sind.

Dass diese Zweifel, an der Seriosität von Klimavorhersagen, der Grund sind warum Schellnhuber aus der Schusslinie genommen werden sollte, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr geht es um die „Große Transformation“ die eine Abkehr nicht nur von der Art wie wir wirtschaften fordert, sondern auch demokratische Meinungsfindungsprozesse in Frage stellt. Der Begriff Ökodiktatur ist in diesem Zusammenhang eher noch verharmlosend. Hier geht es nicht mehr nur um Gängelungen der Verbraucher und der Wirtschaft, eine ganz neue Machtstruktur soll entstehen die sich nicht mehr auf demokratische Legitimationsverfahren stützen kann, sondern die Vorstellungen eines Rates von selbsternannten Eliten umzusetzen hat.

Wenn man nun aber glaubt, ein derartiges undemokratisches und freiheitsfeindliches Unterfangen wäre der Grund für den Widerstand gegen Schellnhuber und Genossen, macht auf halber Strecke halt. Gerade die Vorgänge die derzeit zur Eurorettung unternommen werden zeigen doch sehr deutlich, dass die Politik durchaus keine Skrupel hat wenn es um undemokratische und unlegitimierte Verfahren geht. Wenn es der Sache nützt, die ja immer die gute ist, werden Parlamente ausgebootet und von Bürgerbefragungen wollen wir gar nicht erst reden. Eine Clique von Eingeweihten beschließt was zu tun ist, die breite Masse oder der gemeine Parlamentarier bleiben außen vor, die wissen ja eh nicht was richtig ist. Gefahr im Verzug lässt keine breite Diskussion darüber zu welche Maßnahmen nun sinnvoll sind oder nicht.

Wir müssen noch kurz beim Euro bleiben, und betrachten wie es denn zu der derzeitigen Situation gekommen ist, eigentlich hätte diese ja auf Grund von No-Bail-Out-Vereinbarungen überhaupt nicht eintreten dürfen. Stück für Stück wurden Positionen geräumt, die als fest und unveränderlich galten. So wie die Umstände sich änderten, so änderte sich auch die Herangehensweise und gipfelte darin, dass Konten von Privatpersonen gepfändet wurden. Ein Vorgehen welches am Beginn der Währungsunion nicht vorstellbar gewesen wäre und nur deshalb, zähneknirschend zwar, akzeptiert wurde weil im Vorfeld eine Position nach der anderen geräumt wurde. Der Frosch springt nicht aus dem Kochtopf, wenn man das Wasser darin langsam erwärmt.

Sind die Schritte nur klein genug, wird der neue Zustand als keine große Veränderung gegenüber dem vorherigen empfunden, obwohl, über einen längeren Zeitraum betrachtet, im Zeitraffer sozusagen, die Veränderung gravierend ist. Der Wandel geschieht langsam und wird erst dann als solcher erkannt wenn man die Ausgangssituation mit der derzeitigen vergleicht. Das betrifft nicht nur den Euro, dies ist bei fast allen politischen Vorgängen zu sehen. Man denke hier auch an das EEG, welches anfangs für den Stromkunden kaum merkliche Belastungen vorsah.

Nun ist Wandel nicht schlecht, die ganze Welt wandelt sich ständig, ebenso jeder einzelne Mensch. Auf neue Situationen nicht zu reagieren, den Wandel zu ignorieren, kann also auch keine Antwort sein. Dennoch geschehen diese Anpassungen immer gemäß dem Charakter des Subjekt. Naturgesetze geben den Weg vor, ebenso der Charakter und die unveränderlichen Grundwerte des einzelnen Menschen. Letztere müssen nicht klar definiert sein, sondern stellen eher so etwas wie die Seele des Menschen dar. Der Kern dessen was die Person ausmacht. Die Seele gibt vor wie weit ein Wandel gehen kann, sie ist sozusagen das Grundgesetz des Menschen. Doch auch diese verändert sich, passt sich neuen Umständen an, nur eben so langsam, dass dieser Wandel nur im Rückblick erkennbar wird.

Was hat das alles nun eigentlich mit Schellnhuber zu tun? Nun, es ist die Betrachtung des Wandels, welcher Wandel in welchem Ausmaß akzeptabel ist, ohne mit der Seele eines Gemeinwesens in Konflikt zu geraten. „Welt im Wandel - Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ nennt sich das Gutachten des WBGU über welches so erbittert gestritten wird. Und hier machen Schellnhuber und die seinen den Riesenfehler, jedenfalls aus Sicht der Politik, darzustellen wohin die Reise gehen soll: In eine neue Form der Staatlichkeit mit der die durch demokratische Verfahren begründete Blockaden überwunden werden können (Seite 252). Mit Aussagen dieser Art, und das Gutachten ist voll davon, wird aber der Frosch ins heiße Wasser geworfen. Da will der aber nicht und wird sich wehren. Gleichzeitig kann dieses Szenario von den Gegnern einer totalen Klimaschutz- und Ökologismuspolitik verwendet werden um eine Gegenpostion zu formulieren, etwas was den Menschen keine Transformation abverlangt, sondern ein Wandel in kleinen Schritten.

Hätte man beispielsweise bei der Einführung des Euro, um nochmal einen Vergleich herzustellen, gesagt, dass dieser Euro ein erster Schritt zur Überwindung des Nationalstaates ist, hin zu den Vereinigten Staaten von Europa die sich dann im Notfall nicht zu schade sind einzelnen Regionen strikte geradezu diktatorische Maßnahmen aufzuerlegen, gegen die sie sich nicht wehren können weil demokratische Verfahren keine große Bedeutung mehr haben, so wäre dieser Euro nie eingeführt worden. Aber genau so verhält sich Schellnhuber, er lenkt den Blick auf ein Endziel welches die meisten als Bedrohung ansehen müssen und die Fähigkeit zum Wandel deutlich überstrapaziert. Damit schafft er keine Akzeptanz für den von ihm angestrebten Wandel, sondern produziert Widerstand.

Ganz anders Joachim Weimann, der als Alternative zu Schellnhuber vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagen wurde. Er teilt ebenfalls die alarmistische Grundannahme wonach ein bedrohlicher menschengemachter Klimawandel im Gange ist auf den man reagieren müsse. In der Enquete „Wachstum“ wurde über ein Gutachten gestritten, welches „Best practice“ favorisiert und von gesellschaftlichen Transformation nichts wissen will. Statt dessen soll der Herausforderung mit Hilfe des Marktes begegnet werden. Doch das auch nur vordergründig. Das zentrale Element seiner Vorschläge ist ein konsequent gestalteter und langfristig glaubwürdig angelegter Emissionshandel, der alle Sektoren umfasst und ehrgeizige Klimaziele in einem entsprechend knapp bemessenem CAP ausdrückt.

Weimann beschreibt die nächsten Schritte, solche die vom gegenwärtigen Standpunkt als praktikabel und machbar erscheinen und überfordert nicht die Akzeptanz zum Wandel. Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsnotwentigkeiten werden nach praktikablen Lösungen bewertet. Hier eine Gegenposition aufzubauen, darzulegen warum auch dieser Ansatz falsch ist, erfordert viel größere Anstrengungen und setzt eine intensivere Beschäftigung mit den Grundannahmen des Klimawandels im speziellen und denen des Ökologismus im allgemeinen voraus. Während Schellnhuber das große Ziel beschreibt, schaut Weimann auf die nächsten Schritte und macht diese akzeptabel. Wohin dies am Ende führt, muss sich der Betrachter selbst ausmalen, wird also kaum Gegenstand von Disputen sein.

Die Klimaschützer müssten also den Vorschlag Schellnhuber durch Weimann zu ersetzen eigentlich unterstützen, wenn es ihnen vordringlich um den Klimaschutz gehen würde. Doch dem ist weit gefehlt, mit der Fokussierung auf die Energiewende, welche als ein Schritt hin zur der angestrebten Transformation, zu postdemokratischen und vor allem postkapitalistischen Gesellschaftsformen empfunden wird, stehen sie sich selbst im Weg. Mit Weimann hätten die Klimaschützer die Möglichkeit den Frosch ins kalte Wasser zu setzen um am Ende doch an ihr Ziel zu kommen. Mit Schellnhuber schaffen die das nie. Mit einem Wandel kommen Menschen klar, vor Transformationen oder Brüchen schrecken sie zurück, wie der Frosch vorm heißen Wasser. Schellnhuber ist mir im WBGU lieber, er kann weniger Schaden anrichten als Weimann.



Dieser Text ist im Buch Im Spannungsfeld |1 enthalten.

Paperback
280 Seiten
ISBN-13: 9783748112433
12,00 €
E-Book
ISBN-13: 9783748152767
7,99 €





1 Kommentar :

  1. Betrachtet man das deutsche Dreigestirn Schellnhuber, Rahmstorf und Latif, wird einem sofort klar, warum speziell in Deutschland die Empörung besonders groß wahr, als man in Italien Wissenschaftler für ihre leichtfertig abgegebenen Fehlprognosen (Stichwort "Erdbeben") vor den Kadi zerrte ^^

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