24. August 2014

Deutsches Blut

„Wohin möchten Sie, Sir?“ fragte mich der Taxifahrer im Hafen von Cebu/City, einer Millionenstadt ziemlich in der Mitte des aus tausenden Inseln bestehenden philippinischen Archipels. „Carbon Market“ antworte ich, obwohl ich eigentlich weiter wollte. So war denn auch meine Zielangabe dem Taxifahrer zu ungenau. „Wohin am Carbon Market?“, die Frage war berechtigt, so klein ist der nämlich nicht. „Dort wo ich ein Tricycle nehmen kann, ich muss nach Ermita.“ Stille folgte, der Taxifahrer sah mich von der Seite an. „Ich fahre nicht nach Ermita.“ Das wusste ich, der Stadtteil Ermita in Cebu/City ist eine No-go-Area für Fremde, für Ausländer sowieso. Kein Taxi, kein Jeepney, kein Bus geht da hinein. „Ich habe dort eine Verabredung, muss dahin, sie brauchen mich nur am Carbon Market absetzen“. Wieder wurde ich gemustert, der Fahrer meinte wohl anfangs, ich sei gewöhnlicher Tourist und wollte mich warnen, er konnte nicht wissen, dass Verwandte meiner Frau dort lebten und ich eine Cousine von ihr abholen musste, die bei uns als Kindermädchen und Haushelfer arbeiten wollte. „Aus welchem Land kommen Sie?“ „Deutschland,“ antwortete ich. Ein kurzes Lächeln im Gesicht des Fahrers. „Deswegen!“ Diese Antwort verstörte mich, mir war nicht klar wieso meine Herkunft hier irgend etwas erklären würde. „Warum deswegen?” wollte ich wissen. „Ich weiß, Deutsche haben starkes Blut. (I know, Germans have strong blood).”

Damit ist die Geschichte auch schon erzählt, mich ließen aber die Äußerungen des Taxifahrers nicht mehr in Ruhe. Verhaltensweisen, Eigenarten, Charakter, werden einer Nationalität zugerechnet, vor allem dann, wenn es ins vorhandene Weltbild passt. Es war nur eine kurze Taxifahrt, wir konnten das Gespräch nicht weiter vertiefen. Ich hätte dem Fahrer erklären können, dass die Deutschen von heute nicht mehr die Draufgänger sind, wie er sie möglicherweise aus zu vielen billigen Hollywoodfilmen kennt. Dass sie zuerst nach der Versicherung fragen, bevor sie eine Entscheidung treffen, oder beim ganz gemütlichen Fahrradfahren einen hässlichen Sturzhelm aufsetzen, nicht weil sie meinen, dass der schützt, sondern weil sie Angst haben einen Versicherungsschutz zu verlieren. Überhaupt, überall ist Angst, German Angst: Strahlen, Klima, Essen. Es gibt Eltern die lassen ihre Kinder nicht auf Bäume klettern, nicht mal aufs Klettergerüst. So sieht heute Deutschland und die Deutschen aus, von strong blood keine Spur.

Aber vielleicht ändert sich das auch wieder, dann wenn die Deutschen wieder zur ihrer Identität stehen und sie bejahen. Dann werden die Angsthasen ausgelacht, die Welt gehört den Mutigen.

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