23. November 2014

Sarkozy, Merkel, die Grünen und das Volk

Dreckiger Populismus“,
so kommentiert der Europaabgeordnete der Grünen, Sven Giegold, einen Tweet von Nicolas Sarkozy, in dem er fordert, dass 50% der Aufgaben, die heute in Brüssel erledigt werden, zurück auf die (National)staaten übertragen werden sollen. Ansonst würde das System explodieren. Nun pfeifen es ja schon seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern, daß Marie LePen, die Vorsitzende des immer wieder als rechtspopulistische Partei gescholtenen Front National, die Politik in Frankreich vor sich her treibt. Sarkorzy, der ehemalige französische Präsident, bringt sich in Stellung, möchte ein weiteres mal für diesen Job kandidieren. Um realistische Chancen zu haben, muss er die Stimmung in Lande aufgreifen, die immer mehr gegen ein vermeintlich von den Deutschen kontrolliertes Europa ausgerichtet ist.

Doch auch hierzulande lässt sich momentan mit Brüssel nicht viel Staat machen, schon vor über einem Jahr, meinte Angela Merkel „Wir können auch überlegen: Geben wir wieder einmal etwas zurück?“ Damit meinte sie genau das was Sarkozy fordert, nur etwas unbestimmter und ungenauer, wie das eben Merkels Art ist. Vorsichtig wird dies nun diskutiert, in der CSU schon länger. Doch die hat auch den Ruf, gelegentlich recht populistisch aufzutreten.

Für Grüne, die ja ihren ganz eigenen Populismus pflegen, bis hin zu den Liberalen und Konservativen, ist Populismus ein Schimpfwort, sie setzen ihre Utopien dagegen. Doch ist eine Utopie, wenn sie zu Geist und Seele einer politischen Bewegung wird, eigentlich was anderes als in Strukturen gegossener Populismus? Es wird um eine Idee geworben, sei es das Nachhaltigkeitspostulat oder die europäische Einigung. Genau genommen, ist auch dies alles Gegenstand von populistischen Forderungen, weil sie um bestimmte Personengruppen, deren Wertevorstellungen eben mit der Utopie kompatibel sind, wirbt, deren Gefühle und Überzeugungen anspricht.

Ist nun Sarkorzys Forderung Populismus, und Merkels vorsichtige Äußerungen dazu, dreckiger Populismus gar, weil auf offensichtliche Fehlentwicklungen hingewiesen wird? Giegold meint, so muss man annehmen, dass es Sarkozy lediglich darum geht, Marie LePen den Wind aus den Segeln zu nehmen, und ein bisschen Wahrheit wird da auch dran sein. Auf die Forderungen seiner politischen Gegner einzugehen, diese teilweise zu übernehmen, ist allerdings kein Populismus, sondern politischer Pragmatismus, der weniger auf Utopie oder Ideologie zielt, sondern auf Machterhalt. Auf diese Weise, durch die Übernahme der Forderungen der Gegner, hat Angela Merkel sämtliche Opposition in Deutschland zahnlos gemacht, dabei aber gleichzeitig wirtschaftlichen Pragmatismus, der sich an realen Problemen orientiert, über Bord geworfen. Doch der Erfolg gibt ihr, vorläufig, Recht. Das was Sarkozy mit dem Front National macht, tat Merkel zuerst mit der SPD, dann mit den Grünen. Sie griff populäre Forderungen auf, Atomausstieg beispielsweise, und integrierte diese ins eigene Profil. Mit dem Ergebnis allerdings, dass dieses immer undeutlicher wird.

Verabscheut Giegold nun Populismus? Wenn er das tut, muss er jegliches taktisches Vorgehen von Parteien ablehnen, wenn es auf Wählerstimmen oder Schwächung des Gegners ausgerichtet ist. Populismus liegt in der Natur jeder Partei, es ist ihre Verkaufsstrategie; oder hat er nur etwas gegen dreckigen Populismus, und was könnte das sein. Dreckig meint in diesem Zusammenhang ja verlogen oder hinterhältig. Genau dies ist aber Sarkorzys Forderung nicht. Zweifellos nimmt er Stimmungen im Volk auf, wenn er Präsident werden will, muss er vom Volk gewählt werden. Das unterscheidet das französische Staatsoberhaupt von so den meisten Posten in Brüssel, die lustig immer neue Regelungen und Gesetze erfinden, dafür aber nur unzureichend demokratisch legitimiert sind und dadurch auf jeden Populismus verzichten können.

„Sarkozy zündelt an der Europäischen Einigung. Er will 50% der EU-Aufgaben renationalisieren.“ unterstellt Giegold, dabei sind die Worte des Franzosen nichts anderes als eine Forderung zum Subsidiaritätsprinzip, nach dem immer die niedrigst mögliche Ebene mit Entscheidungen betraut wird. In Sonntagsreden wird das immer mal wieder erwähnt, von Parteien aller möglicher Ausrichtungen, nicht zuletzt von der Bundeskanzlerin, nur beispielsweise in ihrer Rede vor beiden Häusern des britischen Parlaments:
Durch die Europäische Kommission darf nur das geregelt werden, was in den Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden kann. Das Subsidiaritätsprinzip muss in Europa mehr Beachtung finden.

In diesem Geist sollten Großbritannien und Deutschland gemeinsam mit unseren Partnern in Europa Schwerpunkte für die Arbeit der zukünftigen Kommission setzen.
Zündelt Merkel hier auch an der Europäischen Einigung. Betreibt sie ebenfalls dreckigen Populismus, denn eigentlich sagt sie nichts anderes als Sarkozy. Wohl kaum, sie versucht die europäische Einigung zu retten, in dem verhindern möchte, dass der Karren EU durch Kompetenzüberladung vollends überladen wird und damit jede Steuerungfähigkeit verliert. Zumindest sagt sie das so, vielleicht glaubt sie auch daran. Vorm britischen Parlament kommt es jedenfalls gut an. An Taten, diese Einsicht umzusetzen, ist bislang nicht viel zu erkennen. Doch auch das könnte Taktik sein, weil sie, würde sie Sarkorzys Worte wählen, oder gar entsprechende Taten folgen lassen, es Wasser auf die Mühlen der AfD wäre. Noch ist diese neue Partei noch nicht so stark und von so einer breiten Unterstützung in der Öffentlichkeit getragen, wie andere europakritische Parteien in unseren Nachbarländern. Merkels bewährte Taktik, dem Gegner die Themen und die Argumente zu klauen, brauchte sie noch nicht anwenden, da die AfD bislang noch keine Gefahr für ihre Macht darstellt.

Dies kann sich ändern, sollte diese Macht gefährdet sein, dann tritt der Merkelschwamm in Aktion, und saugt alle populären Forderungen auf, macht sie sich (vordergründig) zu eigen, mit dem einzigen Ziel: Macht! Diese Art von Beliebigkeit, in Verbindung mit machttaktischen Spielchen, ist tatsächlich dreckiger Populismus, weil der Fokus nicht dem Populus, dem Volk, gilt, sondern eigenen Interessen.

Giegold hingegen, hat weder begriffen was Populismus in der politischen Praxis ist, nach hat er mit seiner Beschreibung Recht. Sarkorzys Forderung ist nichts weiter als die Rückkehr zum populären, aber leider wenig beachteten, Subsidiaritätsprinzip in der EU. Seine, Giegolds, Äußerung ist bezeichnend für ihn, offensichtlich hat er Angst vorm Volk, was nun aber nichts neues ist bei den Grünen, die sehen sich als Elite mit dem Auftrag das Volk umzuerziehen. Für diese Aufgabe eignet sich die EU ausgezeichnet, sind doch ihre Entscheidungsträger und Repräsentanten in den seltensten Fällen demokratisch, vom Volk also, legitimiert.

2 Kommentare :

  1. Quentin,

    ich denke es wäre klug Sarkozy's Ratschlag zu folgen, weil ich glaube, dass die Akzeptanz der EU bei den Bürgern sinkt. Ich denke die EU sollte sich auf Themen konzentrieren die verbinden, die Freiheit und die Freizügigkeit erhöhen und die Gemeinsamkeit stärken. Das heißt Aussenpolitik, freier Handel, Forschungsförderung und ähnliches.

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  2. Die Akzeptanz einer Institution erhöht man nicht automatisch dadurch, in dem man ihr Macht entzieht. Eine wesentliche politische Frage ist doch, wie viel Europa wollen wir langfristig? Mehr als heute, weniger als heute? Wenn man zu mehr Europa hin möchte, dann ist der permanente Rückzug in nationalstaatliches Denken nicht wirklich hilfreich.

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