29. Januar 2015

Im Spannungsfeld

Der Journalist und Autor Michael Miersch hat bei der Achse des Guten hingeschmissen. Dies ist mehr als eine persönliche Reaktion auf die Entwicklung dort, die mit viel geäußerten Verständnis für die Protestbewegung Pegida oder der AfD einhergeht. Es hat symbolische Bedeutung über die Person Mierschs hinaus und mit der Krise des Liberalismus in Deutschland zu tun. Nun nicht gleich an die FDP denken, auch deren Zustand dokumentiert die Krise, Liberalismus ist mehr als diese Partei, es ist eine breit verankerte bürgerliche Grundhaltung, die erst wenn sie als Ideologie ausformuliert wird auf Widerstand trifft, weil sie dann zwangsläufig kulturrelativierend wird. Vorbei scheint die Zeit, als der Liberalismus einen Platz in der Gemengelage des Unbehagens gegenüber eines Grün-Sozialistischen Zeitgeistes hatte, immer mehr wird er als Ideologie wahr genommen. So, als Beispiel, ist sich Sabine Beppler-Spahl in Nova-Argumente nicht zu schade eine Lanze für die Burka zu brechen, es gehört ja schließlich zu den Freiheitsrechten sich kleiden zu können, wie man das wünscht. Vom Standpunkt der Verteidigung individueller Freiheitsrechte, kann man Frau Bepper-Spahl nicht mal widersprechen. Dass die Burka die Frucht einer Kultur ist die mit individuellen Rechten nicht viel anfangen kann, spielt keine Rolle mehr für die liberalen Kulturrelativierer, wenn sich die Frau aus freien Stücken diesem Diktat unterwirft. Dies sei ihr individuelles Recht.

Dieses Beispiel dient nur dazu, zu verdeutlichen, wie liberaler Kulturrelativismus abläuft. Der Blick auf das Individuum und seine Rechte wird zum Tunnelblick, wenn es die kulturellen Befehle, denen das Individuum eventuell bereitwillig folgt, ausblendet.

Die Burkaträgerin gerät somit in ein mehrpoliges Spannungsfeld, zwischen individuellen Rechten und Kulturen, die jeweils verschieden gewichtet werden. In der Kultur der sie sich zurechnet werden individuelle Freiheiten definiert, genauso wie in der einer Mehrheitsgesellschaft. Hier haben wir also schon vier Pole, zwischen dessen Kraftfeldern sich das Individuum bewegt. Sich teilweise gegenseitig ausschließende Moralgebote kollidieren mit sich ebenso gegenseitig ausschließenden individuellen Rechten.

Der bürgerliche Liberalismus versucht hier einen Ausgleich zu schaffen, zwischen all diesen Kraftfeldern, im Gegensatz zum ideologischen Liberalismus, der dieses Spannungsfeld aufzulösen versucht, in dem bestimmte Pole einfach ausgeblendet werden.

So wie der Liberalismus also zur Ideologie werden kann, mit Wahrheitsanspruch versteht sich, so geschieht dies mitunter in Gemeinschaften, in solchen die kulturellen Gebote zur Ideologie machen, oder aber in der Politik, wenn Alternativen nicht diskutiert werden. Dann ist dieses Spannungsfeld aus Individualität, Identität, Moral und Kultur gestört.

Werden wir also konkret und verlassen den abstrakten Raum. Bei Pegida und AfD sind Tendenzen zu erkennen, deren Patriotismus chauvinistischen Charakter hat, der die eigene Zuordnung zu einer Gemeinschaft als Maß der Dinge für die gesamte Gesellschaft sieht. Dies ist im Prinzip im links-grünen Spektrum nicht anders, nur sind deren Selbstbeschreibungen anders. Chauvis sind sie aber auch. Die Respektlosigkeit mit der sie mit den Meinungen und Wünschen anderer umgehen, ist beredendes Beispiel dafür. Lange Zeit aber haben diese links-grünen Chauvis das Meinungsbild hierzulande bestimmt, und sind mit ihren Vorstellungen ins bürgerliche Lager vorgedrungen. Dieses geschieht geradezu automatisch, da das liberale Bürgertum auf Ausgleich im Spannungsfeld einer Gesellschaft bedacht ist. Nebenbei, der ideologische Liberalismus kümmert sich da weniger drum. Da aber ein Gegenpol zu dem links-grünen Chauvinismus in der Öffentlichkeit fehlte, ein Pol im Spannungsfeld nicht funktionierte, drifte das liberale Bürgertum immer mehr in die Richtung des stärksten Pols.

Gegen diese Entwicklung schrieben und schreiben Leute wie Michael Miersch an, und haben nun ein Problem damit, dass sich ein Gegenpol in Form von AfD und Pegida bildet, in dem sie gewissermaßen den gleichen Charakter entdeckt haben, wie das gegen was sie die ganze Zeit kämpfen. Vielleicht liegt das ein wenig daran, dass sie sich dem ideologischen Liberalismus nahe fühlen, denn bei denen ist die Abneigung gegen beide Pole auch sehr markant. Doch das muss Spekulation bleiben. Offensichtlich ist allerdings, dass es Teile des Bürgertum als Befreiung empfinden, dass nunmehr AfD und Pegida auf der Matte sind, ins Spannungsfeld eingetreten. Sie teilen nicht deren partiell vorhanden Chauvinismus, sehen aber eine Möglichkeit sich aus der Umklammerung der grün-roten Chauvis zu lösen und hoffen darauf, dass sich das liberale Bürgertum wieder auf seinen Platz in des Mitte des Spannungsfeldes bewegt, damit es seine integrative Kraft entwickeln kann, Ideologien entschärft werden, dem Individualismus Raum gibt, als auch die eigene Zuordnung zu einer Gemeinschaft möglich macht, in der über einen historischen Zeitraum gewachsene Werte, Normen und Moral existieren und in der eine Solidarität mit- und untereinander möglich ist.

Michael Miersch meint nun, das ganze wäre aber ein Versuch, den Teufel mit den Beelzebub auszutreiben. Vielleicht ist es das, aber gibt es einen anderen Weg? Der ideologische Liberalismus entwickelt nicht die Kraft um als Gegenpol zum grün-roten, wie nationalistischen Chauvinismus wahr genommen zu werden. Er ist die Ideologie einiger Eliten, sehr wichtig im Diskurs, doch ohne besondere Anziehungskraft, auch weil notorisch zerstritten, und vor allem, sehr oft kulturrelativierend.

Ich aber, finde es gut dass es AfD und Pegida gibt, sie haben meine Sympathie, wenngleich ich niemals Anhänger oder Mitglied werden möchte und viele Forderungen und Annahmen nicht teile. Sie stellen die Balance im Spannungsfeld der Gesellschaft wieder her und das liberale Bürgertum wird diesen Pol zur Kurskorrektur benutzen, ohne deswegen nun ganz darauf einzuschwenken. Gleichsam einem Segelschiff, welches auf hoher See auch verschiedene Winde oder Strömungen nutzt, um wieder auf Kurs zu kommen. Zu lange schon hat dieses Schiff gegen die grün-roten Winde kreuzen müssen, und bis zum Auftreten der AfD konnte man meinen, es hätte seinen Kurs verloren und sich aufgegeben.

Einen Beelzebub kann ich nicht erkennen. Wirkliche Gefahr droht nur dem ideologischen Liberalismus, aber das ist er gewöhnt, der bekommt Gegenwind aus allen Richtungen. Aber auch wenn er als Ideologie für mich immer unattraktiver wird, so rufe ich mir dennoch seine Ideale immer wieder ins Bewusstsein, auch weil mir Individualismus mehr wert ist als die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft. Die Gesellschaft ist eben ein Spannungsfeld, und ich bewege mich darin, wie jeder andere auch.

2 Kommentare :

  1. Der liberale Kulturrelativismus ist m.E. nur eine Form des Kulturpessimismus. Diese buckligen Verwandtschaften bringen nicht nur in Deutschland neuerdings viele Querfrontler hervor.
    Natürlich kann man gut darüber streiten, wie viel Etatismus in Konservativen und Sozialisten steckt und ob sie wirklich mehr trennt als verbindet.
    Die Burka als ein individuelles Kleidungsstück anzusehen, anstatt als eine entindividualisierende Verhüllung ist so paradox wie die Bedrohung der sich Putin durch die NATO gegenübersieht.;-)

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  2. Ja, bestimmt. Gerade die 'Querfrontler' sollten vielleicht noch ein wenig mehr unter die Lupe genommen werden, was eigentlich wirklich deren ideologischer Kern ist.

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