27. Juni 2016

Was ist die EU?

Ist es praktisch ein eigenes Land mit eigenen Interessen und eigenen Befindlichkeiten, und agiert auch entsprechend, oder ist es ein Interessenverband einzelner Länder. So richtig klar ist das nicht, mal ist mehr das eine im Vordergrund, mal das andere. Solche undurchsichtige Konstrukte sind aber Gift für jede Demokratie, die immer eine klare Legitimation benötigt.

Will die EU ein funktionierende Staatswesen sein, was ja letztlich die Rede von der europäischen Integration meint, dann wird sie wie ein Imperium sein müssen oder auseinanderfallen. Ich sehe da keinen Mittelweg. Die Alternative wären viele Europas, nehmen wir ein Beispiel: Die Nato. Es ist ein Verteidigungsbündnis, genauso kann es ein Handelsbündnis oder Marktbündnis geben, je nach Aufgabe. Dafür braucht es auch keine gemeinsame Öffentlichkeit über alle möglichen länderspezifischen Befindlichkeiten hinweg. Noch ein Beispiel: Die OPEC. Alles Bündnisse, die immer eine spezielle Aufgabe haben und in denen die Nationalstaaten, mitsamt den relevanten Akteuren, einen gemeinsamen Standpunkt und eine strategische Position erarbeiten.

Eine Demokratie über Ländergrenzen hinweg wird nicht funktionieren, davon bin ich überzeugt, weshalb ich die EU am liebsten sofort abschaffen möchte, bevor sie sich zum Imperium entwickelt. Die Argumentation, dass doch die EU bisher das eine oder andere Gute vollbracht habe, halte ich für oberflächlich, weil man dies sogar Diktaturen zurechnen kann. Das Potential, was sich aus Demokratiedefizit in Verbindung mit dem Bestreben von selbsternannten Eliten ein imperiumähnliches Gebilde zu schaffen, ist brandgefährlich.

Siehe auch ältere Texte von mir dazu:
Postnationales Europa oder Liberaler Internationalismus
Europa, der Friedensnobelpreis und Lessings Bogen

Nachtrag

Ich will noch einen von zehn Punkten einbringen, wie Osterhammel den Unterschied zwischen Imperium und Nationalstaat beschreibt:
Drittens: Unabhängig von seiner Verfassungsform, ob demokratisch oder autoritär-akklamatorisch, pflegt der Nationalstaat die Idee einer Legitimierung politischer Herrschaft «von unten». Herrschaftsausübung sei nur dann gerecht, wenn sie den Interessen der Nation oder des Volkes diene. Das Imperium muss sich sogar im 20. Jahrhundert noch mit einer Legitimierung «von oben» begnügen, etwa durch loyalitätssichernde Symbolik, Herstellung des Landfriedens (pax), Verwaltungsleistungen oder distributive Sonderbegünstigung von Klientelgruppen. Es ist das Ergebnis von Zwangsintegration, nicht von Konsensintegration: «seinem Wesen nach undemokratisch», «ein Souveränitätsverband ohne Gemeinschaftsbasis». ...
(Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. S.608 (Imperien und Nationalstaaten))
Ich würde gerne noch mehr daraus zitieren, weil das ganze Kapitel sehr aufschlussreich ist und interessante Sichtweisen liefert, doch das würde zu weit führen.

1 Kommentar :

  1. @Quentin

    Ich denke es ist falsch zu sagen, dass das gute das die EU hervorgebracht hat auch Diktatoren zugerechnet werden könnte. Genau das schaffen die langfristig nicht.
    Richtig ist aber, dass man verhindern sollte, dass die EU in Richtung Imperium abrutscht. Der Breit hat nun aufgezeigt, dass genau das 1993 geschah. In einigen Politikfeldern ist die EU in Richtung Imperium abgerutscht. Das sollte man klären und verbessern.

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